""Aliens at home" besteht aus fragmentarischen Stücken,
die im gesamten ein Ganzes bilden, eine Monster-Monstera.
Diese Pflanze, die ich in Vietnam als wild wuchernd im Dschungel
um Palmen rankend erlebt habe, wird bei uns in
Deutschland gebändigt als Zimmerpflanze gehalten.
Sie ist von ihrem Ursprungslort emigriert und hat sich ganz gut eingebürgert.
Ist sogar etwas "spießig" geworden.
Bei meiner Präsentation in kubackis-galerie wuchs
mit anderen Versatzstücken zu einer neuen Ordnung zusammen.
Mit einer Schnur wurden die Arbeiten im Raum verbunden und bilden
so ein rhizomartiges Geflecht mit Knotenpunkten.
Eine Papierrolle liegt zum Überschreiten bereit.
Die Bilder wandern von ihrem gewohntem Platz, gliedern sich aber
in ein neues System ein.
Selbst mit Emigrationshintergrund, weiß ich, wie es ist aus einem
gewohnten Umfeld gerissen zu werden und sich in neuen Zusammenhängen
wiederzufinden.
In neuen Kontexten lerne ich eine neue Seite von mir kennen
und muss und darf mich neu erfinden.
Dies vollziehe ich mit "Willkommensgewächs", das bei jeder Präsentation
neu zusammengestellt wird.
Zu dem Titel wurde ich insperiert, da ich an der MELO, Berlin, mit sogenannten
Willkommensschüler_innen zusammengearbeitet habe.
Ich wünschte es würde tatsächlich eine Willkommenskultur vorhanden sein
und dieses Wort erschiene nicht euphemistisch angesicht mancher Geschehnisse,
die Angst vor dem Fremden zeigen, eigentlich jedoch aus einer tiefen eigenen
inneren Unsicherheit entstehen.
Zsuzsa Klemm
Vorgestellt von Jürgen Tomm (Buchhändlerkeller, Berlin):
"Auf der Homepage einer anderen Berliner hatte ich Bilder von
Zsuzsa Klemm gefunden, darunter in einem weiten Farb-All ausgesetzte,
vielleicht verlorene Figuren unter dem Titel "Beyond the space, the space beyond",
und dazu Information über ihren offenbar sehr sorgfältigen Studienweg und
eine lange Reihe von Gruppen- und Einzelausstellungen in Deutschland,
aber auch im Zusammenhang mit Studienaufenthalten und Künstleraustausch
in Israel und Ungarn.
Als mir aber Frau Kubacki das Thema dieser neuen Ausstellung mit
"etwas Florales" andeutete, fiel schon mal die Klischee-Klappe runter:
Sollte es sich um "Frauenkunst" handeln? Nun, wo ich die Ausstellung
gesehen habe, kann ich die Klappe gleich wieder hochziehen: Willkommen
liebes gutes altes Klischee! Ja, die Kunst einer Frau, einer Künstlerin mit
geradezu hoch dosiertem weiblichem Impetus. Wie das?
1. Installationen, wenn sie groß sind, werden gern "raumgreifend"
genannt, oder, wenn ihre Elemente ringsum verteilt sind, sagt man,
"sie definieren den Raum". Das klingt für mich nach Beherrschen,
Vermessen, Zerlegen, herkömmlich gedacht: männlich. Hier aber bildet
die Installation den Raum, um dann in ihn einzuladen, zu verlocken,
in ihn einzutreten. Willkommen in der grünen Hölle, wer den Mut dazu hat
- das liebe Klischee sagt: Höhle? Also weiblich.
2. Wuchernde Pflanzen, geile Triebe sind eine in der Literatur schon
bis zum Stereotyp abgebrauchte Metapher, und die steht für Angst
machende Wollust - so was schreiben Männer wie z.B. der hoch
renommierte griechische Autor Vassilis Vassilikos in seiner
"Griechischen Trilogie". Alles, was so wild wuchert, erschreckt. Auch
bei Autorinnen kann das Wuchernde genau diese Drohung entfalten,
das Immer-Mehr-Werden, das unentrinnbar Um-und-Verschlungenwerden,
wie bei Patricia Highsmith. Nur: Es sind ja auch die Frauen, die das
Wuchernde genussvoll aus so einem kleinen Ableger ziehen - Gegen
seine gigantischen Urwaldvettern helfen Männern freilich nur Machete
und Kettensäge. Damit der Blick frei ist...
Doch so einfach ist das nicht, nicht mit dem Männlichen und dem Weiblichen,
nicht mit der Kunst. Wir werden zwar hinein gebeten, aber wo "hinein" eigentlich?
Sind nicht Innenwelt und Außenwelt, alles scheinbar Gegensätzliche nur ein
Denkkonstrukt, um mit der ganzen Komplexität in unserem Kopf klar zu kommen,
wie sich doch auch unsere Gefühle nicht auf getrennten Bahnen von männlich
und weiblich austauschen?
"Osmose" steht mit am größten auf dieser Gemengelage, Austausch von allem
mit allem und vor allem von allen mit allen. Der Raum, der vollgestopft scheint,
weitet sich. Indem andere miteinbezogen werden, entsteht mehr Platz,
nicht weniger, könnte eine der Botschaften lauten. Und die Kunst von
Zsuzsa Klemm ist Kunst mit Botschaften. Das mag nicht so richtig angesagt
sein, aber nach ein paar Tausend Jahren Kunst mit Botschaften und hundert
Jahren Kunst auch ohne Botschaften, muss sich keiner Sorgen machen.
Wenn es denn eine Botschaft der Kunst ist. Durch andere Botschaften waten
wir jeden Tag, den Internet werden lässt, bis zu den Knien. Da tut es gut, wenn
jemand mit Herz und Kunst ruft: Verbindet Euch! Schlingt Euch zusammen und
bildet einen Raum, einen Schutzraum für die, die Schutz brauchen. Macht für
sie eine Laubhütte, eine lockere Philodendron-Hülle - "philo" ist schon mal gut,
locker, durchlässig, absichtlich versetzt, vertauscht ist auch gut - nur keine
Dornenhecke für einen "tausendjährigen" Schlaf der Vernunft! Erinnern steht
da statt Angst vor dem Unbekannten. Und deswegen heißt diese Ausstellung
auch "Willkommens-Gewächs". Sogar die guten alten Engel mit ihrer
Spruchband-Botschaft "Friede auf Erden" sind ja schon lange auch in der
Heiligen Nacht nicht mehr sicher vor Beschuss im Luftraum über - na, suchen
Sie sich selber einen aus und danke, dass Sie mir zugehört haben."
Jürgen Tomm